Robert genoß die Tage im Naturschutzgebiet mit seiner Freundin, die leider noch verheiratet war, selbst im Winter. Sie waren auf Pfaden unterwegs, an denen keine Störung mehr zu erwarten war. Mit Decken und Champagner bewaffnet, waren diese Stunden weit weg vom Alltag. Der Korken ploppte, ein leichter Nebel stieg aus der Flasche empor und das Perlen des Champagners beschränkte sich nicht, weitete sich aus, führte sie zueinander, immer wieder. Die letzten Treffen mit ihr empfand Robert jedoch als schwerer, als läge etwas in der Luft, als würde die Unendlichkeit aufhören und er sollte Recht behalten. Alles war vorbereitet wie immer, die Decken, der Champagner, sie kam sogar etwas früher als sonst zum Treffpunkt und parkte das Auto direkt hinter seinem in dem kleinen Waldweg, es war wie immer. Sie gingen los, als sie reden wollte. Reden wollte Robert auch, aber später, nicht jetzt, nicht die Stimmung gefährden. „Es ist vorbei…“, sagte sie mit gefasster Stimme. „Mein Mann ist jetzt schon eifersüchtig und ich will keine Scheidung“, führte sie fort. Sie wollte doch ihren Mann schon lange verlassen, nicht ihn, nicht jetzt, nicht hier, nicht bei diesem Mond. Robert sackte zusammen, sie küsste ihn noch leidenschaftlich und ging. Er blieb noch, weinte über die Endlichkeit, über die Dramen, über das Enden, selbst der Champagner war ein schwacher Trost. Trotzdem wurde die Flasche leer und er ging zurück zum Auto. Dort stand ein Mann vom Naturschutz und klärte ihn auf, dass er dieses Gebiet nicht einfach betreten könnte und das Parken des Autos sowieso strikt verboten wäre. „Noch nie von Natura 2000 gehört, oder?“, fauchte er. Ihm war das jetzt auch schon egal und Robert meinte, er würde für immer fahren, nie wieder kommen. Es hatte ihn nicht nur seine süße Freundin verlassen, sondern er war sich sicher, dass ihn die ganze Landschaft förmlich ausgespuckt hatte, er passte nicht mehr hierher, war ein Fremdkörper, einer, der nicht dazugehörte, nicht zu ihr, nicht zu dieser Gegend. Nie wieder, das war ihm eine Lehre, nie wieder. Nach dem er weggefahren war, kam er nach einer Minute in seiner melancholischen Champagner-Laune auf die Idee, der Landschaft seinen Stempel aufzudrücken, nicht aufgeben, zumindest seinem SUV die Freiheit geben, Natura2000 hin oder her. Er fuhr in Wiesen, in kleinen Bächen, über morsche Baumstämme. Es dauerte nicht lange, bis er das Blaulicht näher kommen sah, blieb stehen, schrie. Die Polizistin schaute ihn und meinte, ob er nicht wüßte, dass es sich hier um ein Natura2000-Gebiet handeln würde. „Doch!“, schrie er noch lauter. „Sie sind betrunken“, führt die Polizistin gelassen fort. „Ja, betrunken, betrunken wie noch nie, weder Frauen noch Landschaften interessieren mich, ich will frei sein, frei und betrunken wie noch nie sein“, gab er leicht lallend von sich und übergab er den Führerschein gleich freiwillig. Diesen müsste er nicht abgeben, da er auf keiner öffentlichen Straße unterwegs wäre, aber eine Anzeige wegen des Befahrens des Naturschutzgebietes würde folgen. „Ich habe noch Champagner im Auto“, sagte er seufzend. So saßen sie nun auf der Motorhaube, bestaunten den Mond und er spürte, wie ihn die Landschaft wieder inhalierte, ihn aufsaugte. Als sie ihn küsste, richtete er sich auf, er gehörte doch dazu, zu dieser Gegend, zu den Liebenden.
Harald, 10. Februar 2023