Krötenstopper

Logan, der einen weitläufigen Garten in der Nähe von Brisbane besaß, entdeckte eines Morgens, als er gerade im Freien frühstückte, in geringer Entfernung eine riesige Amphibie, die er als eine Aga-Kröte identifizierte. Zu der Erkenntnis, dass die nach Australien eingeschleppten Plagegeister nun auch in seinen persönlichen Lebensbereich eingedrungen waren, gesellte sich bei Logan eine Neugier gegenüber allem Unbekannten. Er hatte gelesen, dass die gefräßigen Kröten alles verschlangen, was ihnen vors Maul kam.

Logan musterte das Tier, das augenscheinlich hungrig seinen Schlund aufsperrte und beschloss dann, es zu füttern. Er sah sich auf dem Frühstückstisch um und musste zur Kenntnis nehmen, dass er alles, was er sich selbst aufgetischt hatte, bis auf den letzten Bissen verzehrt hatte. Lediglich ein Glas vom Champagner stand noch da, den Logan sich zweimal in der Woche als höchsten Genuss und krönenden Abschluss bereits zum Frühstück gönnte.

Er dachte nicht lange nach, nahm das Glas und schüttete dessen Inhalt der Aga-Kröte ins Maul. Was genau er sich davon versprochen hatte, hätte Logan nicht sagen können. Es war aber jedenfalls nicht das, was daraufhin geschah. Die Kröte explodierte und zwar so heftig, dass es sie buchstäblich zerriss und dass ihre ekelerregenden Überreste im Umkreis von mehreren Metern auf dem Rasen klebten.

Trotz allen Widerwillens fragte sich Logan, ob er da nicht zufällig eine äußerst nützliche Entdeckung gemacht hatte. Um seinen Verdacht zu prüfen, benötigte er weiteren Champagner und weitere Kröten. Ersteren beschaffte er sich in seinem Haus (er nahm gleich eine ganze Flasche mit), letztere suchte er in seinem weitläufigen Garten an jenen Stellen, die er als besonders feucht in Erinnerung hatte.

Es dauerte nicht lange, ehe er zwei weitere ausgewachsene Aga-Kröten entdeckte, denen er ebenfalls Champagner in ihre Mäuler schüttete. Das Ergebnis war das selbe wie beim ersten Mal. Das edle alkoholische Getränk riss die Amphibien in Stücke. Logan, der wusste, wie sehr der Nordosten seiner australischen Heimat mittlerweile unter der Invasion der giftigen Kröten litt, witterte das große Geschäft.

Er nahm Kontakt auf zu Winzern in Frankreich und ließ sich Angebote schicken. Da ihm trotz der großen Mengen, die er abzunehmen versprach, kein entsprechender Rabatt gewährt wurde, fragte er in der Folge in anderen Regionen weitere Weinbauern, die statt des edlen Champagners schlichteren Schaumwein herstellten.

Er wurde mit einem der Produzenten rasch handelseins und bestellte mehrere hundert Container mit Fässern, die bis oben hin mit Schaumwein gefüllt waren. Im Hafen von Brisbane ließ Logan eine Abfüllanlage bauen, in der das alkoholische Getränk in Flaschen umgefüllt wurde, die als „Krötenstopper“ beworben wurden. Eine groß aufgezogene Werbekampagne bewirkte ein übriges, um das neue Amphibienvernichtungsmittel an den Mann zu bringen.

Der Erfolg blieb aus. Über Logans Firma brach eine Beschwerdewelle herein, die so riesig war, wie der Kontinent sie noch nie zuvor erlebt hatte. Die Kröten, hieß es, würden durch den neuartigen Stopper nicht zur Explosion gebracht, sondern entpuppten sich durch das Getränk als noch fortpflanzungsfreudiger und legten noch mehr Laich in dem ohnehin schon stark belasteten Landstrich ab.

Logan, der sich seinen Misserfolg nicht erklären konnte, legte sich nach dem Frühstück in seinem Garten mit einer Flasche Krötenstopper auf die Lauer. Der ersten Aga-Kröte, die vor ihm auftauchte, goss er sogleich eine Ladung Schaumwein ins Maul. Die Amphibie suchte sofort das Weite und stieß wenig später aus der Ferne jene charakteristischen Laute aus, die auch Logan ohne besondere Fachkenntnisse sofort dem Bereich der Kopulation zuordnete. Logan unternahm noch einige weitere Versuche und erzielte jedesmal das selbe niederschmetternde Ergebnis. Die Kröte suchte sich nach der Aufnahme des Schaumweins sofort einen Geschlechtspartner.

Logan, der es ganz genau wissen wollte, stapfte noch einmal in sein Haus und kehrte mit einer Flasche Champagner in den Garten zurück. Die nächste Kröte, derer er habhaft wurde, wurde vom Champagner, wie bei den ersten Malen regelrecht zerfetzt.

Nun hatte Logan den Beweis. Es funktionierte lediglich mit Champagner, nicht aber mit dem wesentlich billigeren Schaumwein. Diese bittere Erkenntnis kostete ihn seine wirtschaftliche Existenz.

Über ein Frühstück im eigenen Garten brauchte er sich danach nie wieder den Kopf zu zerbrechen; zu jener Uhrzeit, zu der er zuvor gefrühstückt hatte, war er von da an bereits seit mehreren Stunden unterwegs, um als Lohnsklave den verhassten Amphibien mit seinem Krötenspieß manuell das Licht auszublasen.

Michael, 24. Februar 2023

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