Opernball

Theodor war auch einmal am Opernball, daran kann er sich gut erinnern. Zuerst – sonst hätte er sich das nie verzeihen können – bei den Anti-Opernball-Demonstranten. Auffällig gut gekleidet waren diese Demonstranten, er nicht der einzige, der danach wohl noch den Opernball besuchen würde. Und so war es dann auch. Fast alle Demonstranten gingen seelenruhig über die Stiegen, als wäre das alles normal. Drinnen war die Stimmung bereits am Kochen. Ausgefallene Kleider, mehr als mutig, Herren in eher angedeuteten Fracks, fetzig, laut. „So scheint eben der Opernball zu sein“, dachte Theodor. Die Eröffnungsquadrille des „Jungdamen & Jungherren“-Komitees wurde von Frauen und Männer jenseits der 40 bestritten. Bei „Alles Walzer“ blieb es beileibe nicht bei klassischer Musik. Bald ging es rockig, ausgelassen her und die ersten Besucherinnen wurden geküsst. Theodor, der mit zwei Freunden und einer Bekannten den Opernball besuchte, fühlte sich sehr schnell wohl, küssen konnte er schließlich gut. Selbst das einige Besucher bewaffnet waren, störte Theodor zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Aus nicht wenigen Rucksäcken lugten Gewehrläufe heraus, Munition war griffbereit, als könnte jederzeit die Jagd eröffnet werden, obwohl die war ja schon heftig im Gang. Auf diesem Opernball blieb keiner allein, ein opulentes Fest, kaum dekadent. Die Pressevertreter konnten viele Fotos schießen, selbst ein Fernsehteam war anwesend. Freigegeben wurden nur die wenigsten Bildaufnahmen, schließlich sollte der Skandal danach ausbleiben. Theodor feierte bis in die Morgenstunden. Wenn er gewußt hätte, wie der Opernball abläuft, er wäre schon längst unter den Stammbesuchern zu finden gewesen, auch wenn es extrem schwierig, war eine Karte zu ergattern. Gegen Mittag wachte er neben zwei Besucherinnen in einem ihm fremden Bett auf und genoß die vorgefundene Lage gemeinsam mit ihnen gleich noch einmal. Theodor war kein Angeber, aber das musste er dann doch immer mal erzählen. Nach zwei Wochen, als er wieder die Erlebnisse vom Opernball zum Besten gab, wurde eine Zuhörerin stutzig. „ich ging die Treppen hinunter in den bereits gut gefüllten Keller“, kam ihr spanisch vor. Sie fragte, wo denn dieser Opernball stattgefunden hätte. Er antwortete mit Unverständnis: „In Salzburg, wo denn sonst!?“. Nach wenigen Minuten war klar, Theodor war auf einer legendären Veranstaltung, jedenfalls auf selben Niveau wie der Opernball, tief im Stieglkeller, berüchtigt berühmt, geliebt, nie vergessen: dem „Wüdera-Gschnas“, diesmal mit dem Motto „D’Wüdara am Opernball“. Theodor wurde dann Stammbesucher, „Wüdara“ – so dachte er – sterben nie aus. 2020 endete alles aber dann doch im Stieglkeller. Theodor hatte zwar seit diesem Zeitpunkt keine Angst mehr, seine Ehe weiter zu gefährden, aber es fehlt und etwas Risiko braucht doch auch Theodor. Daher sein Aufruf an alle „Wüdera“ und deren Unterstützer: Holt diese Veranstaltung zurück, macht Druck, sucht Veranstaltungsräume, zahlt Kartenpreise wie auf dem Opernball, „Wüdera“ dürfen auch in diesen Zeiten niemals aussterben. Selbst die Lit-Geflüster-Autoren unterstützen dieses wichtige Anliegen bestmöglich.

Harald, 24. Februar 2023

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s