Der Tod fährt mit

Einmal stieg Alois hinunter in seinen Keller und hörte hinten am Weinregal ein verdächtiges Knacken. Als er nachsah, entdeckte er ein Gerippe, das jede einzelne Flasche aus dem Regal nahm, das Etikett prüfte und die Flasche danach kopfschüttelnd zurücklegte. 

„He, was bist denn du für einer?“, rief Alois. „Störst die Ruhe meiner Weine und wackelst dann zu jeder Flasche mit deinem kahlen Totenschädel! Was soll das denn werden?“

„Totenschädel, ganz recht!“, bestätigte das Gerippe. „Mit mir ist nicht zu spaßen! Ich bin der Tod!“

„Was willst du?“, rief Alois. „Wenn du mich holen willst, dann überrasch mich gefälligst nachts im Schlaf, wenn ich in meinem Bett liege.“ 

„Dich will ich jetzt noch gar nicht!“, rief der Tod. „Dich hole ich mir, wenn deine Zeit gekommen ist.“ 

„Meinen Wein kannst du aber auch nicht wollen“, schimpfte Alois. „Der rinnt doch einfach durch dich hindurch, wenn du ihn trinkst.“ 

„Ich will deinen Wein doch gar nicht“, erwiderte der Tod. „Ich bin auf der Suche nach Champagner.“ 

„Den kannst du doch genauso wenig trinken“, sagte Alois. 

„Will ich doch auch gar nicht“, entgegnete der Tod. „Ich brauche ihn für eine Dusche.“

„Eine Champagnerdusche? Aber du bist doch schon tot! Was gibt es da noch zu feiern?“

„Ich habe mich für ein Autorennen angemeldet. Wenn ich gewinne, brauche ich Champagner für die Dusche.“ 

„Ein Autorennen?“, fragte Alois ungläubig. „Was denn für ein Autorennen?“ 

„Der große Preis von Monaco“, erklärte der Tod. „Formel 1. Im Übrigen sagt man ja von jedem Autorennen, dass der Tod mitfährt. Diesmal eben offiziell.“

„Das ist doch absurd!“, sagte Alois. „Du hast doch gar kein Team, für das du fahren kannst!“ 

„Oh, doch!“, strahlte das Gerippe. „Ich habe mir ein Team gekauft. War ganz billig zu haben. Ich musste es nur ein kleines bisschen umbenennen.“ 

„Und wie heißt es jetzt?“, fragte Alois entnervt. 

„Dead Bull“, sagte der Tod. 

Alois schlug sich ungläubig mit der flachen Hand auf die Stirn. 

„Verrätst du mir nun endlich, wo der Champagner ist?“, drängte der Tod. „Ich habe nicht endlos Zeit. Ich muss noch trainieren.“ 

„Warum ich?“, rief Alois verzweifelt und raufte sich die Haare. „Warum suchst du deinen Champagner ausgerechnet bei mir?“ 

Der Tod zuckte seine Schulterknochen. 

„Warum nicht? Ich mag dich.“ 

„In der braunen Holzkiste“, seufzte Alois und deutete auf ein Regal. „In dem Fach unter der Carrera-Bahn.“ 

Michael Burgholzer, 3. März 2023.

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