Der Führerscheinprüfer Gschweidl, der reihenweise junge Dinger bei der Fahrprüfung durchrasseln ließ, wenn sie sich während der Fahrt ihm gegenüber nicht devot zeigten oder seine dummen Sprüche nicht ertrugen, geriet eines Tages an die ausgesprochen attraktive Lena, die bei ihm ihre praktische Prüfung ablegen sollte.
Sie stieg auf der Fahrerseite ins Prüfungsfahrzeug und legte, bevor sie sich angurtete, eine Flasche Champagner neben sich auf der Mittelkonsole ab.
Gschweidl, der auf dem Beifahrersitz thronte, herrschte Lena an, was sie sich einbilde und wozu sie in einer so ernsten Situation eine Flasche Schampus mit sich herumschleppe.
Wenn sie ihre Prüfung bestanden hätte, entgegnete Lena lächelnd, wolle sie gleich auf ihren Erfolg anstoßen und darauf entsprechend vorbereitet sein.
Gschweidl lief hochrot an.
Eine solche Unverfrorenheit, schrie er, sei ihm in seiner langen Prüferlaufbahn noch nie untergekommen. Ein so junges Ding wie sie, Lena, habe bei ihm noch nie beim ersten Antritt bestanden. Er werde den Schampus nun entsorgen, in hohem Bogen zum Beifahrerfenster hinauswerfen, nein, noch besser, er werde ihn selber trinken, weil es bei ihm in jedem Fall sicher sei, dass er die Prüfung bestünde.
Während er die Folie vom Flaschenhals löste und den Korken herausploppen ließ, wies er Lena an, loszufahren und sich in den fließenden Verkehr einzureihen. Gschweidl setzte die Flasche an seine Lippen und ließ ein ordentliches Quantum des edlen Getränks durch seine Kehle laufen.
„Das geschieht dir ganz recht!“, brüllte er Lena an, die sehr sicher und mit viel Umsicht fuhr. „Du machst bis jetzt ja alles falsch, was man nur falsch machen kann! Reiß dich zusammen, sonst ist es auf der Stelle vorbei für dich! Prost!“
Er führte die Flasche wieder zum Mund und trank sie leer, ohne zwischendurch noch einmal abzusetzen. Der Champagner tat seine Wirkung und stieg dem Prüfer augenblicklich zu Kopf.
Ohne dass Gschweidl es angeordnet hätte, setzte Lena auf einmal den Blinker, verlangsamte das Fahrzeug und hielt am rechten Fahrbahnrand.
„Was fällt dir ein?“, schrie der illuminierte Prüfer. „Ich habe keinen Halt befohlen! Durchgefallen!“
„Ich glaube, da klopft jemand!“, sagte Lena ungerührt und ließ das Fenster auf der Beifahrerseite herunter.
„Verkehrskontrolle!“, sagte draußen sehr eindringlich eine Stimme. „Papiere bitte!“ „Unfug!“, brüllte Gschweidl. „Grober Unfug! Dies ist eine Fahrprüfung und ich bin der Prüfer!“
Die beiden Polizisten wollten den Wagen bereits weiterwinken, als einer der Ordnungshüter plötzlich seine Nase näher in Schweidls Richtung steckte.
„Ich glaube“, sagte er zu seinem Kollegen, „wir haben doch noch etwas zu prüfen. Aussteigen, bitte!“
„Ich fahre doch gar nicht!“, protestierte Gschweidl. „Ich prüfe!“
„Jetzt prüfen wir“, sagte einer der Polizisten und hielt Gschweidl und Lena, die inzwischen ausgestiegen waren, Mundstücke hin, die mit Testgeräten verbunden waren.
Lenas Wert betrug exakt Null. Gschweidls Promillewert hingegen war so hoch, dass die Beamten ihm sofort die Fortsetzung der Prüfung untersagten und ihn aus dem Verkehr zogen.
Lena wiederholte ihre Prüfungsfahrt eine Woche später unter der Ägide einer Prüferin, mit der sie unmittelbar nach dem Ende der Fahrt auf ihren Erfolg anstieß. Sie hatte zur Prüfung wie beim ersten Mal wieder ein entsprechendes Getränk mitgebracht, diesmal allerdings eine Flasche Kindersekt.
Michael, 17. März 2023.