Prickelbrause

Bereits mit neun Jahren konnte er seine Mitschülerinnen von sich – wenn schon nicht mit seinem Aussehen – mit seiner Prickelbrause, die er aus einem Italienurlaub mitbrachte und einen besonderen Erdbeergeschmack aufwies, restlos überzeugen. Als Teenager war es der Pfirsichsekt, der zum gewünschten Erfolg führte. Eine Flasche pro Tag, manchmal auch zwei, mussten es meist sein. Niemals trank er auch nur eine Flasche allein. Im Alter von 25 Jahren bemerkte er, dass er das Niveau nochmals steigern würde können. Er experimentierte relativ lange mit einem Feigen-Minz-Sirup, den er dem Sekt hinzufügte. Plötzlich änderten sich auch seine Bekanntschaften. Über Schauspielerinnen, Models und Flugbegleiterinnen an seiner Seite mussten sich seine Freunde wundern. Keiner konnte sich erklären, was diese Frauen ausgerechnet von ihm wollten. Auch beruflich lief es bestens, er war inzwischen zu einem der besten Verkäufer einer weltweit bekannten Sektkellerei aufgestiegen. Er erkannte als einer der ersten den großen Rosé – Trend und surfte weiter auf der Erfolgswelle. Mit Rosé kamen Krankenschwestern, Polizistinnen und Blumenverkäuferinnen hinzu. Als er mit deutlich über 50 den Champagner für sich entdeckte, glaubte er am Zenit angekommen zu sein. Der junge weiblicher Geldadel, Zuhälterinnen und internationale Spitzenpolitikerinnen bestimmten sein Umfeld. Es ging noch einige Monate so weiter, als er bemerkte, dass sein verfolgtes Ziel ihn nicht ganzheitlich befriedigt hatte. Er zog sich zurück für Wochen, manche vermuteten ihn in Dänemark, da er von den dortigen Frauen immer so geschwärmt hatte. In Wahrheit befand er sich in einem Zisterzienser-Orden in der Nähe der Champagne und tüftelte wieder an einem neuen Getränk. Aufgrund seiner Erfahrung war ihm klar, dass das Getränk seine Begleiterinnen bestimmte und nie umgekehrt. Im Frühjahr kam er zurück, gesünder und fitter denn je. Er läutete an der Tür. Eine Frau in seinem Alter öffnete ihm überrascht und ließ ihn herein. Auf die Frage, was er den trinken wollte, antworte er bestimmt: „Wasser“ Er öffnete eine kleine Dose und teilte den Inhalt auf die beiden Wassergläser auf. Anna, seine Mitschülerin von damals, lachte und beide kosteten die von ihm kreierte Erdbeerbrause. Seit Jahren sind sie nun ein sehr glückliches Paar. Anna fragte ihn nur einmal, ob sie nicht fast 50 Jahre versäumt hatten, weil er sich nicht getraut hatte, sie zu küssen. Seine bescheidene Antwort war, dass ihn erst seine jahrzehntelange Erfahrung zu einem so guten Liebhaber gemacht hätte und außerdem sein kleines Vermögen von 170 Millionen Euro nur mit wechselnden Bekanntschaften zu verdienen gewesen wäre. Das überzeugte auch Anna und sie stießen wieder mal zufrieden mit ihrer Erdbeerbrause an während sie mit dem Privatjet auf dem Weg in die Champagne waren. Und seine Freunde wundern sich noch immer…

Harald, 7. April 2023

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