Es war für Herrn Mecker immer so, dass er durch glückliche Fügungen kaum Grund zur Beschwerde hatte. In jungen Jahren mochte ihn in der Schule die Klassenvorständin, weil er so gute Manieren hatte. Trotz geringer intellektueller Fähigkeiten – teils Veranlagung, teils mangelnder Fleiß- schloss er die Schule mit sehr respektablen Noten ab. Als Lehrling wurde er in seinem ersten Unternehmen von der Unternehmergattin massiv gefördert und so sein Talent in mehrfacher Hinsicht gewürdigt. Sein bescheidenes Salär legte er gleich an wie sein Arbeitgeber. Die Tipps dazu kamen in den intimen Momenten von der Unternehmergattin. Als er ausgelernt hatte, wechselte er in den Vertrieb, wo ihm vor allem die Kundinnen nicht widerstehen konnten, trotz oder wegen seiner Angewohnheit, oft Zigaretten zu rauchen. Preisverhandlungen gab es nicht, maximal sehr persönliche Zusatzleistungen. Nach zwei Firmenwechseln hatte er es mit Anfang vierzig geschafft. Er war mit einem beachtlichen Vermögen – den vielen Unterstützerinnen sei Dank – Privatier und kaufte sich eine herrliche Penthouse-Wohnung am Wolfgangsee. Als Dandy vom Wolfgangsee war er legendär. Die letzten Jahre jedoch hatte er etwas Schwierigkeiten. Nicht, dass er kein Geld mehr hatte, nein, es war das Alter oder, wie er es nannte, der Verschleiß. Mit Anfang 60 spürte er, dass die Strahlkraft abnahm und eigentlich keiner mehr wusste, was eigentlich ein Dandy war. Im Dahinsinnieren bei der zweiten Champagnerflasche erinnerte er sich an seine Musiklehrerin in der Hauptschule, die seinen Gesang immer sehr lobte. So nahm er leicht angeheitert ein Video eines bekannten Songs auf und postete dies auf seinem Social-Media-Account. In Gedanken an die guten alten Zeiten schlief er ein. Am nächsten Morgen lächelten ihn einige Frauen wieder an, als er beim Bäcker ein wenig Gebäck holte. Am zweiten Tag waren es fast noch mehr Frauen, die sich nach ihm umdrehten. Er genoss das neu erwachte Interesse an seiner Person, wusste aber nicht so recht, wie ihm geschah. Am dritten Tag war es wie in seinen besten Jahren. Junge Frauen wollten ihn im Seerestaurant zum Essen einladen oder zumindest auf ein Glas Champagner. Er fragte bei der zigten Einladung, warum die junge Frau ausgerechnet mit ihm ausgehen wollten. „Sie sind doch der Tschik Mecker!“, antwortete diese kopfschüttelnd. Er meinte überrascht: „Ich heiße aber Klaus“. Er ahnte aber etwas und machte sich auf den Weg nach Hause. Sofort schaltete er sein Apple-Notebook ein. Sein Gesangsbeitrag auf social media hatte fast eine Million Zugriffe. Er hatte in seinem leichten Rausch das Lied auch noch mit Zigarette im Mund gesungen. Bereits die ersten Kommentare gaben ihm den Namen Tschick Mecker in Anlehnung an die Stimme eines berühmten Sängers, der im Alter auch immer besser wurde. Er genoss ab nun das Leben wieder in vollen Zügen und wusste, dass ihn bis 90 nichts und niemand mehr aufhalten konnte, auch wenn aus dem letzten Dandy der Tschick Mecker vom Wolfgangsee wurde, was ihn aufgrund des Erfolgs nicht weiter störte. Seine Konzerte sind heute noch Legende und die Parkbänke am See füllen sich mit dem weiblichen Geschlecht wieder schnell, wenn er Platz nimmt.
Harald, 26. Mai 2023.