Orpheus reloaded

Ich sei mit Abstand der talentierteste Schüler, den er je unterrichtet hätte, sagte mein Gesangslehrer Georg. Jetzt, nachdem er mich ausgebildet und all sein Wissen an mich weitergegeben hätte, sei es wahrlich an der Zeit, dass die Welt erführe, was in mir steckte. Ich fragte Georg, wie ich dies der Welt denn mitteilen sollte. Indem … Weiterlesen Orpheus reloaded

Ach Mutter

„Nimm Dir doch ein Beispiel an den Menschen, diese sind alle fleißig, gewissenhaft und halten Gebote immer ein“, maßregelte Mama Biene Delphine. Delphine konnte von ihrer Mutter zwar die Geschichte von den Menschen nicht mehr hören, hatte aber mangels Verständnis für die Sprache der Menschen keinen nachhaltigen Beweis. Gefühlt meinte sie zu wissen, dass irgendetwas … Weiterlesen Ach Mutter

Laut und leise

Horst hatte genug von seinen Briefmarken. Er ertrug die ewige Stille nicht mehr, die von ihnen ausging. "Versuch's doch mit Bienen", riet die Stiefmutter, bei der er wohnte. "Die machen den ganzen Tag ordentlich Krach." Horst nickte ergeben. "Und du könntest sie mit Zuckerplörre füttern. Du weißt schon, die seit Jahren in dem Tank im … Weiterlesen Laut und leise

Knopfdruck

"Schönwetterflüge sind am gefährlichsten", sagte Kapitän Mauser zu seinem Gast, den er ausnahmsweise und gegen jede Vorschrift ins Cockpit eingeladen hatte. "Wie kommt es?", fragte der Angesprochene und schluckte das mulmige Gefühl, das aus seinem Magen die Speiseröhre hinaufgestiegen war, tapfer und unauffällig wieder hinunter. "Man ist weit weniger gefordert", führte Mauser aus. "Alles läuft … Weiterlesen Knopfdruck

Gastbeitrag: Der Prinz

(eine Parabel oder auch nicht) Ich bin privilegiert aufgewachsen, mit dem goldenen Löffel im Mund, sozusagen. Umsorgt von Dienerinnen, die mir jeden Wunsch von den Augen ablasen. Wünsche gab es nicht viele, eigentliche nur einen – gut essen und das nicht zu knapp. Intellektuell war ich nicht so begabt und das Erlernen dieser weibischen Tänze … Weiterlesen Gastbeitrag: Der Prinz

Arbeitsbienen

Lazilla wollte keine Arbeitsbiene mehr sein. Alle arbeiten bis zum buchstäblichen Umfallen. Sie hatte zusätzlich noch etwas schlechtes Karma, da sie als Sommerbiene eine Lebenserwartung von maximal 35 Tagen aufwies. Wäre sie zumindest als Winterbiene zur Welt gekommen, dann wären es zumindest bis zu neun Monate. Während alle anderen Arbeitsbienen fleißig ihr vorgesehenes Programm durchzogen, … Weiterlesen Arbeitsbienen

Bienenflink

"Bienenfleißig sollst du stets sein", riet mir mein Onkel Ferdinand bei jeder sich bietenden Gelegenheit, "und bienenflink." Lange Zeit schwieg ich zu seinem Rat, aber eines Tages drängte es mich doch, ihn endlich zu korrigieren. "Es heißt wieselflink, Onkel Ferdinand!", rief ich. "Nicht bienenflink." "Bienen, Wiesel, ist doch alles das gleiche Viehzeug!", erwiderte mein Onkel … Weiterlesen Bienenflink

Kesse Bienen

Kess war ein Attribut, das nur von anderen vergeben werden konnte und das eigene Hinarbeiten war ein schier auswegloses Unterfangen. Kess waren immer nur junge Frauen, die Begrifflichkeit aber leider viel zu schnell abgenutzt. Das hinderte aber eine in die Jahre gekommene kesse Biene nicht daran, diesen Lebensstil weiter zu pflegen. Sie entschied, wann sie … Weiterlesen Kesse Bienen

Biberle

Der Rennfahrer Biberle, der mit Vornamen Erwin hieß, gewann einmal ein Rennen in Erolzheim. Ob es ein Radrennen oder ein Autorennen war, ist nicht überliefert. Jedenfalls erhielt er bei der Siegerehrung einen Lorbeerkranz und wurde von den drei Ehrenjungfrauen auf dem Siegertreppchen so stürmisch, feucht und lang anhaltend geküsst, dass die Imkertochter Mechthild, Biberles Verlobte, … Weiterlesen Biberle

Österreich im Herbst

Fetzendeppert sind sie, die anderen natürlich, polarisieren würden sie, wieder die anderen. Verordnungen, die wenige Stunden vor Inkrafttreten erst geschrieben werden, Überforderung? Nein, Dummheit und permanentes Geltungsbedürfnis als unrühmlicher Mix. Andreas stellte sich schon lange die Frage, warum er sich das alles gefallen lassen sollte. Freiheiten, die permanent eingeschränkt werden, fadenscheinige Begründungen, dämlichste Begründungen wie … Weiterlesen Österreich im Herbst

Epona

Kribbler, der sich bei einer Partneragentur angemeldet hatte und dem alles entscheidenden Kontaktanruf entgegenfieberte, ließ sein Mobiltelefon keine Sekunde aus den Augen. Nur einmal, als der Hunger ihn übermannte und er sich ein Butterbrot schmierte und mit Schnittlauch bestreute, war er einen Augenblick lang unkonzentriert. Es reichte, um alles, was er sich ausgemalt und zurechtgelegt … Weiterlesen Epona

Die Stadt der Liebe

Der in die Jahre gekommene Philosoph Peter Osler ging langsam die Rue Saint-Martin hinunter. Er hatte zuvor einen café lait (nur Touristen würden ihn in Paris café au lait nennen) im Livres getrunken und fühlte sich vielleicht erstmals in Paris heimisch. Es war bewölkt an diesem Tag, eigentlich nicht ungewöhnlich. Seine Professur an der philosophischen … Weiterlesen Die Stadt der Liebe

Die Dompteuse

"Wenn Mutter damals in Tiflis diesen Dompteur geheiratet hätte", sage ich im Schwimmbad zu meinem Bruder Erich und deute an den Beckenrand, "dann hätten wir jetzt womöglich auch solche Zöpfe wie er." "Woher weißt du, wer das ist?", fragt Erich. "Mutter, die sich gerade im Umkleidebereich die Haare fönt", sage ich, "hat es mir vorhin … Weiterlesen Die Dompteuse